Kurt Beck: "Es gibt keinen Filz in diesem Land"

Veröffentlicht am 02.03.2011 in Aktuell

Im General-Anzeiger-Interview stellte sich Kurt Beck den Fragen von Bernd Eyermann und Ulrich Lüke zu aktuellen politischen Themen, und dem Landtagswahlkampf. Lesen Sie hier das Interview im Wortlaut.

General-Anzeiger: Sind Sie sicher, am 27. März sagen zu können: Mainz bleibt meins?

Kurt Beck: Mainz bleibt Mainz, gar keine Frage.

GA: Mainz bleibt Ihres?

Beck: Mainz bleibt auch meins. Das hoffe ich jedenfalls. Ich würde gern noch fünf Jahre meine Aufgabe wahrnehmen.

GA: Warum?

Beck: Ich habe noch eine Menge Ideen, um die wichtigen Fragen zu beantworten. Wie gehen wir mit der Demografie um? Wie mit der Schullandschaft? Wie mit mehr Bürgerbeteiligung? Ich will eine Kombination zwischen der repräsentativen Demokratie und einer stärkeren Bürgerbeteiligung.

GA: Gilt für Sie in fünf Jahren die Rente mit 67 oder wollen Sie den Rekord von Peter Altmeier knacken, der fast 22 Jahre Ministerpräsident war?

Beck:
Es ist nicht mein Ziel, Rekorde zu knacken. Wenn ich gewählt werde und gesund bleibe, dann werde ich die nächste Legislaturperiode bis zum Ende machen. In dieser Zeit wird eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger aufgebaut. Der oder die wird sich dann der Wahl stellen. Danach möchte ich mich ehrenamtlich engagieren. Ich bin ja schon ehrenamtlich als stellvertretender Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung tätig, aber ich würde mich auch gerne beim Tierschutz engagieren.

GA: Seit fünf Jahren regieren Sie mit absoluter Mehrheit. Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, was würden Sie anders machen?

Beck:
Natürlich würde ich bei den Nürburgring-Investments ganz genau hingucken und mich mehr um die Form der Finanzierung kümmern.

GA: Haben Sie sich zu wenig gekümmert?

Beck:
Ich hab das so gemacht, wie es in der Verfassung vorgegeben ist, nämlich dass die Ministerinnen und Minister ihr Amt in eigener Verantwortung führen. Deswegen mischt man sich als Ministerpräsident im Normalfall nicht in die Kompetenz der Ressorts ein. Im Nachhinein muss ich natürlich sagen, ich hätte mich einmischen sollen und zwar früher. Aber das muss man auch mal sagen: Unser Engagement am Nürburgring beginnt jetzt schon, sich auszuzahlen.

GA:
Wie kommen Sie darauf?

Beck:
Diesen Winter gab es Rekord-Besucherzahlen. An den Abrechnungskarten können wir das erkennen.

GA: Wenn wir da waren, waren kaum andere Besucher da.

Beck: Dann waren Sie zu Zeiten da, wo Sie auf der Düsseldorfer Kö auch niemanden finden. In Monaten, in denen früher da oben gar nichts los war, haben wir jetzt Tausende Besucher.

GA: Es gibt Zweifel am Abrechnungssystem. Es heißt, Besucher des Erlebnisparks werden beim Eintritt doppelt gezählt.

Beck: Davon weiß ich nichts. Ich glaube, dass unsere Investitionen am Nürburgring wichtig und richtig für die Region waren. Und ich wette besten Ahr-Wein, dass die Leute in fünf Jahren sagen: "Gott sei dank haben wir den neuen Nürburgring." Es sind Fehler gemacht worden, keine Frage, aber die sind aufgearbeitet und jetzt geht es nach vorne. Der Steuerzahler wird am Ende kein Geld verloren haben.

GA:
Wann wird sich der neue Ring rechnen?

Beck:
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir früher als erwartet schwarze Zahlen schreiben. Die Besucherzahlen steigen, die Betreiber zahlen schon in diesem Jahr zwei Millionen Euro Pacht, obwohl für dieses und nächstes Jahr noch gar keine Zahlungen vorgesehen waren.

GA: Kommen Sie im Wahlkampf auch an den Ring?

Beck: Nein, aber ich bin oft in der Nähe. Ich war gerade in Ahrweiler.

GA:
Prinzipiell: Ist eine absolute Mehrheit eher mit dem Risiko behaftet, dass es schlechter läuft als in einer Koalition?

Beck:
Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben zum Beispiel eines der besten Bildungssysteme in Deutschland mit beitragsfreien Kindergärten. Das hätten wir in einer Koalition, wenn überhaupt, nur sehr viel zäher hinbekommen. In Koalitionen passieren ja auch Fehler: Was ist denn mit Stuttgart 21, mit der Bayerischen Landesbank oder der HSH Nordbank?

GA: Kleine Zwischenfrage: Die Vorstellung fällt schwer, aber wenn Sie Karl-Theodor zu Guttenberg wären, wären Sie schon zurückgetreten?

Beck: Ich werde mich zu dieser Frage nicht äußern. Auch hier nicht. Wenn er sich an seinen eigenen Maßstäben misst, wird er wissen, was er zu tun hat.

GA: Noch eine Berliner Frage: Ist es für Sie eine besondere Genugtuung, zu Wochenbeginn bei Hartz IV Erfolg gehabt zu haben?

Beck:
Genugtuung war wirklich nicht meine Motivation. Und auch nicht der rheinland-pfälzische Wahlkampf.

GA: Könnte man ja drauf kommen...

Beck: Nein, wirklich nicht. Sich in dieser Form einzumischen, war ja auch ein Risiko. Das hätte ja auch schiefgehen können. Aber ich konnte und wollte nicht zusehen, wie man hier sehenden Auges gegen die Wand gerannt ist. Ich wollte in der Sache einen Scherbenhaufen verhindern. Und das ist zum Glück gelungen.

GA: War das nicht ein schöner Nebeneffekt, der jetzigen Parteiführung gezeigt zu haben, wie's geht?

Beck: Auch darum geht es nicht. Politik bedeutet, etwas erreichen zu wollen, und nicht, den anderen zu zeigen wie toll man selbst ist.

GA: Aber Sie haben im Rückblick auf die Zeit ihres Ausscheidens als Parteivorsitzender gesagt: Wenn wir damals etwas anders gemacht hätten, wären wir schon weiter...

Beck:
Da ging es um einige punktgenaue Korrekturen in der Sozialgesetzgebung. Ich war die ganze Zeit für das Hartz-IV-Paket, aber mit bestimmten Änderungen. Denken Sie an die Dachdecker-Debatte. Sie können nicht für alle die Rente mit 67 verankern. Sie müssen persönliche und fachliche Besonderheiten berücksichtigen. Ich werde dazu bis zum Parteitag im Herbst mit Olaf Scholz zusammen Vorschläge vorlegen.

GA: Das war es, was anders gemacht werden müsste?

Beck: Es gab da noch ein zweites Element, darüber gab es dann das Zerwürfnis mit Franz Müntefering: Die Leute haben zurecht nicht verstanden, dass man nach 40 Jahren Arbeit seinen Anspruch auf das Arbeitslosengeld I genauso schnell verliert wie jemand, der mal gelegentlich gearbeitet hat. Diese Dinge zu ändern, hätte das Gesamtpaket in seiner Wirkung nicht beeinträchtigt, wohl aber dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen Genüge getan.

GA: Das Gegenargument lautete: Das gibt die Systematik nicht her...

Beck: Geh mir weg mit der Systematik! Es geht doch um die Menschen. Wenn wir diese Störung des Gerechtigkeitsempfindens nicht zugelassen hätten, wären wir im Aufbau von neuem Vertrauen schon weiter.

GA:
Die Nach-Beck-SPD hat den Eindruck eines Linksrucks vermittelt, Olaf Scholz hat ganz klar in der Mitte gewonnen. Wie bekommt man das zusammen?

Beck: Ihr Eindruck ist nicht zutreffend, die Beschlusslage unserer Parteitage gibt die Schlussfolgerung eines Linksrucks jedenfalls nicht her. Ansonsten gebe ich Ihnen Recht: Olaf Scholz hat die Hamburg-Wahl so deutlich gewonnen, weil er die Bürger mitgenommen hat, weil er mitten in der Gesellschaft verankert ist. Und wenn man eine derart ausgewogene Politik anbietet, kann man auch in einem Fünf-Parteien-System deutliche Mehrheiten holen.

GA: Glauben Sie an die absolute Mehrheit der SPD hier im Land?

Beck: An die habe ich vor fünf Jahren auch nicht geglaubt. Ich rechne auch jetzt nicht damit. Das bleibt eine Ausnahme.

GA: Ihr Wahlziel?

Beck: 40 plus X.

GA: Die FDP hat mit Ihnen gute Erfahrungen gemacht. Sie würde das gerne wiederholen. Sie auch?

Beck: Wir haben in der Tat 15 Jahre lang gut zusammengearbeitet. Ich könnte mir also eine Fortsetzung vorstellen. Aber der Kurs der FDP vor allem auf Bundesebene macht das ziemlich schwer.

GA: Bleiben die Grünen.

Beck: Ich halte die FDP und die Grünen für koalitionsfähig. Bei den Grünen hat sich sehr viel geändert. Vor zehn Jahren waren die ein Risikofaktor. Da gab es fünf Abgeordnete und drei davon haben sich samstags auf dem Balkon getroffen und beschlossen, die Fraktionsvorsitzende abzuwählen. Da sind exzellente Leute abgemeiert worden. Damals konnte man also kein Vertrauen in Personen aufbauen. Das ist heute deutlich anders.

GA: Wenn man so lange Regierungschef ist, kommen doch Filzvorwürfe wie das Amen in der Kirche...

Beck: Das ist aber dummes Zeug. Es gibt keinen Filz in diesem Land! Diese Vorwürfe sind falsch und ungehörig. Da, wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht, ja. Aber bei der SPD hat sich niemand persönlich bereichert, niemand hat staatliches Geld veruntreut, niemand hat in die Parteikasse gegriffen.

GA: Die Vorwürfe treffen Sie persönlich...

Beck: Ja, denn ich habe immer ein Prinzip gehabt: Nie etwas im Amt tun, was auch nur den Anschein des eigenen Vorteils erwecken könnte. Ich habe als Bürgermeister in meiner Heimatgemeinde kein Grundstück gekauft, obwohl ich gern eins gehabt hätte. Ich besitze keine Wertpapiere, um nicht in Konflikte zu kommen, falls das Land eine Bürgschaft für ein Unternehmen eingehen müsste. Diese Unterstellungen haben einfach null Substanz.

GA: Auch nicht bei der Hilfe für das Schlosshotel in Bad Bergzabern?

Beck: Auch da nicht. Ich hab diesem Städtchen geholfen, so wie ich Bad Ems und Bad Bertrich geholfen habe. Das mache ich jeden Tag und an vielen Stellen, denn das ist mein Job.

GA: Warum ärgern Sie diese Vorwürfe so sehr?

Beck:
Weil sie meine Integrität in Frage stellen, weil sie unterstellen, ich hätte gegen meine wichtigsten Prinzipien verstoßen. Aber davon kann keine Rede sein. Und natürlich verletzt es einen, wenn wider besseres Wissen so etwas behauptet wird.

 

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