SMS-Interview mit Andrea Nahles:"Pink und Rot wären nicht Sigmars Farben"

Veröffentlicht am 29.09.2010 in Aktuell

Der neue Parteichef Ed Miliband positionierte sich links von seinem älteren Bruder David und siegte bei der Wahl um den Vorsitz. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles besuchte ihre britischen Kollegen auf ihrem Parteitag unter neuer Führung in Manchester, diskutierte auf dem Podium über die Zukunft der Labour Party. Spd.de blieb per SMS mit ihr in Kontakt.

spd.de (9.23 Uhr): Wo steckst Du? Wie geht’s Dir heute Morgen? Und weißt Du, ob das Wetter besser ist in Manchester?

Andrea (9.24 Uhr): Ich sitze im Flugi. Wir rollen schon. Wetter egal. Bin doch sowieso nur in Kongresshalle. Bin gespannt. Knapper sieg für Ed. Da ist sicher einiges los in Manchester. An

Andrea (9.25 Uhr):
PS Mir geht’s gut :-)

spd.de (9.30 Uhr): Guten Flug. Wir simsen im Vereinigten Königreich weiter. Bin schon gespannt!

spd.de (10.42 Uhr): Schon gelandet?

Andrea (11.20 Uhr): Gelandet. Um die 3-Wetter-Taft-Frage (Berlin - München -Manchester) von eben noch mal aufzugreifen: Trüb’ ist’s überall, aber in Manchester regnet es wenigstens nicht :-) Mein Büroleiter Thorben und ich werden von FES-Mann Karl Heinz Spiegel abgeholt und über die Lage der Dinge hier gebrieft. Jetzt geht's also los. an

spd.de (11.30 Uhr):
Was erwartest Du vom Labour Parteitag?

Andrea (11.36 Uhr): Aufbruchsignal! Ende von New Labour und Beginn von neuer Labourpartei! Ich hoffe auf gemeinsame Ideen, weil ehrlich gesagt ja alle sozialdemokratischen Parteien auf europäischer eben nahezu dieselben Probleme haben und Vertrauen bei den Wählern gewinnen müssen. Und dafür muss sich einfach gründlich was ändern. an

spd.de (11.56 Uhr):
Welche Vorschläge wirst Du Ed machen? Und ist Dein Englisch fit fürs Podium? :-)

Andrea (12.09 Uhr): Ich treffe Ed heute Abend. Will ihm gemeinsame Zukunftskonferenz vorschlagen. Wir sind, hab ich gesehen, beide 40. Da kann man sicher noch einige Jahre gemeinsam über die richtigen Konzepte und Ideen für die Sozis in Europa nachdenken. Das mit meinem Englisch ist so ’ne Frage .... Ich sag mal mutig: yes! :-) an

spd.de (14.14 Uhr): Wie lief denn die Podiumsdiskussion? Bist Du zufrieden? Konntest Du Akzente bei den Briten setzen? Was fragen Dich die "comrades" denn so?

Andrea (14.16 Uhr): Sitze noch mit im Podium im überfüllten Raum.

spd.de (14.37 Uhr):
Richtig, wir sind Dir hier ja eine Stunde voraus. Lass doch im Anschluss mal von Dir lesen, wie’s gelaufen ist.

Andrea Nahles (15.03 Uhr):
Am meisten haben die „comrads“ applaudiert, als ich sagte: We have to take our members serious again. We need to understand that they want to have a say in decision making. We need to understand that real participation is a precondition for party members to a campaign for our party. ... Und zum 3. Weg: These politics of modernization were explaind' too often with necessities of a globalised world. Our former chancellor and party leader Gerhard Schröder put it that way: 'Either we modernize or we will be modernized.' But in the end that does mean: Government is unable to act. There are no political choices. That is not very attractive to voters.

(Deutsche Übersetzung: Wir müssen unsere Mitglieder wieder ernst nehmen. Wir müssen verstehen, dass sie eine Stimme in der Entscheidungsfindung haben wollen. Wir müssen verstehen, dass wirkliche Teilhabe die Voraussetzung dafür ist, dass Parteimitglieder für unsere Partei den Wahlkampf machen ... Und zum 3. Weg: Diese Politik der Modernisierung wurde zu oft mit den Notwendigkeiten einer globalisierten Welt erklärt. Unser früherer Kanzler und Parteivorsitzender Gerhard Schröder sagte es so: 'Entweder wir modernisieren oder wir werden modernisiert.' Am Ende bedeutet das: Eine Regierung ist unfähig zu handeln. Es gibt keine politischen Entscheidungen. Das ist nicht zugkräftig für die Wählerschaft.)

Viel Kopfnicken. Interessiert haben sich die comrads für Zukunftswerkstatt und das neue spd.de. Gefragt wurde ich explizit nach einer neuen Idee mit Optimismus für die Sozialdemokraten. Da hab ich gesagt (bisschen bei Eppler geklaut): We should talk less about how we have to live and more about how we want to live. !!!

(Deutsche Übersetzung: Wir sollten weniger darüber reden, wie wir leben müssen, sondern mehr darüber, wie wir leben wollen.)

Sitze hier jetzt im Kongresszentrum. Knallige Farben – Pink-Rot-Kombination. Also das ging in Deutschland als Hintergrund für Sigmar nicht :-)! Spannungspegel steigt, 3000 warten auf Eds Rede. Ich mitten drin. (Und muss mich um nix kümmern, auch mal nett :-) ). An

spd.de (16.03 Uhr):
Pink und Rot? Inszenieren die Briten ihren Parteitag von Grund auf anders als die deutschen Sozialdemokraten? Kann man da was lernen? Die Unterschiede hören sich jedenfalls spannend an. Wann triffst Du denn Ed heute Abend?

Andreas Nahles (16.09 Uhr):
Deutsche Gäste hier auf der internationalen Tribüne sind sich einig: Farben furchtbar. Wie die Hüte der Queen. Lernen kann man hier eher, wie man großen Politevent inszeniert. Ed hält hier richtig gute Rede, auch wenn er noch etwas unsicher ist manchmal! Er sagt klar, wo er hin will, was sich ändern muss und betont die Erfahrungen seiner (meiner Generation). Ich sehe ihn 18.30. Wobei das, glaub ich, Ortszeit ist... An

spd.de (17.08 Uhr): Welche Erfahrungen sind das denn, die Dich und Ed verbinden? Seit wann kennt ihr Euch eigentlich? Welche Kollegen sitzen denn noch mit Dir auf der internationalen Tribüne? Und: was gibt’s zu essen...?

Andrea Nahles (17.24 Uhr): Sandwiches, sandwiches, sandwiches. Bisher konnte ich noch nicht mehr ergattern. Schmecken ganz ordentlich, find ich. Ed hat in seiner Rede ganz klar auch den Punkt gebracht, dass wir wieder ein Wirtschaftsmodell brauchen, das nicht nur Wenigen an der Spitze nutzt, sondern das Wohl der Mehrheit sichert. Er hat sehr stark auch darauf abgehoben, dass wir in unserer Generation damit kämpfen, genügend Zeit zu haben - für Familie, Freude und das Leben. Das hatte ich auch in meiner Rede auf dem Parteitag am Wochenende klar angesprochen! Und das unsere Generation für eine nachhaltige Umwelt- und Energiepolitik eintreten muss. Er hat mehrfach den Begriff „good society“ als Leitbegriff für die Arbeit der Labour Party genannt. Ein Ziel hatte ich mit meinem englischen Parlamentskollegen John Cruddas schon vor einiger Zeit in einem Manifest definiert, das viel Beachtung gerade auch in England gefunden hat. Ihr findet es unter goodsociety.eu! Das Think-Tank „Compass“ und die Friedrich Ebert Stiftung, mit denen ich seit Jahren an einer internationale Debatte zu diesem Ziel einer „good society“ arbeite, ist auch der Link zu Ed. Compass hat ihn massiv gestützt und daher kenn ich ihn auch. An

Andrea Nahles (17.40 Uhr): PS: Interessant ist, dass hier die Rede von Ed als radikale Abkehr von der Blair-Ära empfunden wird. Wir fanden, dass er die Balance zwischen einem Lob für Blair/Brown und einem Aufbruchsignal gut gesetzt hat. Tja, so unterschiedlich wird das gesehen. PPS: Die Skandinavier sehen es wie wir ... aber das entscheidet hier nicht die Schlacht :-)

spd.de (17.50 Uhr): Was wirst Du Ed denn mit auf den Weg geben für seine Zeit als Vorsitzender? Steht schon fest, wann er mal nach Berlin kommen wird? Und hast Du heute mal seinen Bruder David getroffen? Wenn ja, wie war Dein Eindruck?

Andrea Nahles (17.58 Uhr):
Ich lade ihn nach Berlin ein. Ratschläge heute – na, da halt ich mich was zurück! David von Weitem auf Kongress gesehen. Gestern hatten sie große brüderliche Umarmung auf offener Bühne. Das war in allen Zeitungen. Davids Lager, wenn man so sagen darf, ist aber noch ganz schwer geschockt ... Niemand weiß, wie er sich entscheidet. Ob er in der Politik bleibt oder ganz raus geht. An

spd.de (18.10 Uhr):
Wäre sehr interessant zu hören, wie Ed über die Familienbande denkt, die nun zum Politikum wurden? Vielleicht fragst Du ihn ja noch später. Und eine letzte Frage: Was nimmst Du für die SPD mit nach Hause? Hoffentlich nicht nur Sandwiches ... :-)

Andrea Nahles (19.09 Uhr):
Seine Mutter ist froh, dass der Wettbewerb der Brüder vorbei ist, hat er gesagt :-) Labour ist im selben Schlamassel wie wir. Wir sind aber schon weiter :-) Was mir imponiert hat: Die Zuversicht überall trotz der schweren Niederlage. Labour kommt wieder! Da bin ich sicher. Wir sowieso :-) An

spd.de (19.12 Uhr): Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview wurde am 28.09.2010 geführt.

Nachtrag 29.09.

spd.de (12.50 Uhr): Wieder zurück in Berlin: Was gibt es abschließend zu berichten?

Andrea Nahles (14.32 Uhr): Ed hat die Einladung nach Berlin angenommen. Erkundigte sich auch nach Sigmar, den er als Umweltminister kennengelernt hat. War sehr offen, gerade heraus und interessiert. Gute Grundlage! Ich hab heute wieder 3-Wetter-Taft: Manchester, Duesseldorf, Berlin :-)! Haare ueberall wuselig. War gut, mal andere Luft zu schnuppern. Glaube, das lohnt, mit Englaendern guten Draht aufzubauen. Bin zufrieden . Andrea

 

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